Hermine Granger ist also schwarz, na und?!

 

Magische Freund*innen

Manchmal ist die Wahrheit komischer als eine erfundene Geschichte… „Harry Potter und das verfluchte Kind“ heisst die neue Geschichte, die in der von JK Rowling entworfenen Zauberer- und Hexenwelt spielt. Es wird ab 2016 in London als Theaterstück aufgeführt werden. Hermine Granger, eine der prominentesten Heldinnen in der Buchserie, wird dabei von Noma Dumezweni dargestellt werden, die aus Swaziland kommt. Im Internet schlagen nun die Wellen der Empörung mal wieder hoch. Rassist_innen wollen einfach nicht einsehen, warum ihre geliebte (?) Hermine plötzlich eine schwarze Hautfarbe haben soll.

 

Keine Annahme scheint ihnen zu abwegig, um hervorzuheben, warum Hermine Granger ganz bestimmt nicht schwarz sein könne und warum eine schwarze Schauspielerin nicht in diese Rolle schlüpfen dürfe. Natürlich wird auch der berüchtigte, reflexhafte Hinweis aus der Mottenkiste aller besorgten Bürger_innen hervorgekramt: „Ich bin ja kein Rassist, aber…“.

 

In der Forendiskussion auf Harry Potter Xperts wird etwa darauf hingewiesen, dass JK Rowling für Hermine selbst eine weisse Hautfarbe vorgesehen habe. Und vermeintlich belegt wird dies durch den Hinweis auf bestimmte Stellen in den Büchern, wo sie mal schreibt, dass Hermine braungebrannt aus den Ferien zurückkommt, mal dass sie im Gesicht rot anläuft. Dies seien unzweifelhafte Beweise, warum Hermine Granger nur als „weiss“ vorgestellt werden könne. Und warum Noma Dumezweni eindeutig eine „Fehlbesetzung“ sei. Manche orten gar eine finstere Verschwörung von Medien und politisch korrekten Fans, die nur gerne die „Rassismuskeule“ auspacken würden. Hermine sei weiss, bleibt weiss und wer sie sich anders vorstellt, der irre sich eben und wisse nicht über die „Fakten“ bescheid.

 

In der taz kommentiert Zoe Sona: „Den selbsternannten Sittenwächter_innen der Hautfarbe geht es ums Prinzip: In einer Welt, die von weißen Menschen dominiert wird, deren Privilegien durch eine rassistische Alltagskultur und Politik aufrecht erhalten wird, kann es keine schwarzen Held_innen geben. Und in einer magischen Parallelwelt, in der die Post von Eulen geliefert wird, schon gar nicht.“

 

Rassismus ist nach Stuart Hall „eine soziale Praxis, bei der körperliche Merkmale zur Klassifizierung bestimmter Bevölkerungsgruppen benutzt werden, etwa wenn man die Bevölkerung nicht in Arme und Reiche, sondern z.B. in Weiße und Schwarze einteilt. Kurz gesagt, in rassistischen Diskursen funktionieren körperliche Merkmale als Bedeutungsträger, als Zeichen innerhalb eines Diskurses der Differenz.“ Und weiter meint Hall: Es entsteht dabei ein „rassistisches Klassifikationssystem …, das auf „rassischen“ Charakteristika beruht. Wenn dieses Klassifikationssystem dazu dient, soziale, politische und ökonomische Praxen zu begründen, die bestimmte Gruppen vom Zugang zu materiellen oder symbolischen Ressourcen ausschließen, dann handelt es sich um rassistische Praxen.“

Wenn also in Frage gestellt oder verneint wird, dass Noma Dumezweni die richtige Besetzung für die Rolle der Hermine sei, weil sie eine schwarze Hautfarbe hat, dann ist dies rassistisch. Denn es wird hier gefordert, sie aufgrund ihrer Hautfarbe von einer schauspielerischen Tätigkeit auszuschließen. Teilweise wird ihr überhaupt das Talent abgesprochen, obwohl noch niemand wissen kann, wie sie sich in der Rolle der Hermine schlagen wird, da die Uraufführung erst 2016 ansteht.

Chitra Ramaswamy bezieht sich im „Guardian“ auf die Empörung im Netz und fragt: „Ist Hermine Granger schwarz? Die Antwort ist zweierlei. Erstens: Warum nicht, verdammt noch mal? Zweitens: Was für eine dumme Frage!“

 

Die Beschreibung der Hautfarbe kann in der Literatur manchmal durchaus im Kontext relevant werden. So ist es eben nicht unwichtig, ob etwa Onkel Tom im gleichnamigen Roman eine schwarze oder weisse Hautfarbe hat. Denn schließlich thematisiert ja der Roman die Sklaverei. Und darunter haben historisch ganz besonders Menschen aus Afrika gelitten. Es wäre also ziemlich skurril, sich den Protagonisten einer Geschichte über die Sklaverei in den USA als weiss vorzustellen.

 

In der Welt von „Harry Potter“ spielt etwas so Oberflächliches wie die Hautfarbe jedoch keine Rolle. Ähnliches gilt übrigens auch für die sexuelle Orientierung, denn JK Rowling erntete bereits einige Irritationen, als sie im Nachhinein öffentlich feststellte, dass Dumbledore „wahrscheinlich schwul“ ist. Der mächtigste Zauberer von allen ist homosexuell? So what. Er bleibt der mächtigste Zauberer im „Harry Potter“-Universum und seine sexuelle Orientierung ist weder von Belang noch ändert sie etwas an seinen Fähigkeiten.

 

JK Rowling versteht es prächtig, die Individuen, welche die Zaubererwelt bewohnen, in ihren charakterlichen Eigenheiten und Verhaltensweisen und in ihren Beziehungen zu einander zu beschreiben. Die Botschaft lautet: Was einen Menschen ausmacht, sind seine und ihre Gefühle, Wünsche, Träume, Ideen und Verhaltensweisen – nicht jedoch Äußerlichkeiten wie die Hautfarbe. Momente von Freundschaft und Liebe sind immer wieder kehrende Erfahrungen, über die JK Rowling schreibt. Rassismus ist zwar ein Thema in dieser Welt, jedoch im Sinne eines Problems, das das Klima in der Gesellschaft vergiftet und dem Reich des Bösen zugeordnet wird, das durch You-Know-Who und seine Anhängerschaft personifiziert wird.

 

Jene Stellen, die von den Gegner_innen einer schwarzen Hermine herangezogen werden, um die Farbe ihrer Haut zu „belegen“, erweisen sich bei näherer Betrachtung nur als Hinweise darauf, wie sich Hermine in einer bestimmten Situation fühlt oder verhält. Wenn sie rot im Gesicht wird, dann will JK Rowling damit wohl nur aussagen, dass ihr etwas peinlich oder unangenehm ist. Und wenn Hermine braungebrannt aus dem Urlaub zurückkehrt, dann soll dies vermutlich kein Hinweis auf ihre Hautfarbe sein, sondern es wird lediglich beschrieben, dass sie sich wohl fühlt, weil sie frisch, fröhlich und entspannt aus den Ferien kommt.

 

Aber könnte es nicht sogar plausibel sein, sich Hermine Granger gerade als schwarz vorzustellen? In den Büchern wird Hermine als Angehörige einer Minderheit – sie kommt aus einer nicht-magischen Familie, den sogenannten Muggeln – mehrmals rassistisch diskriminiert. So wird sie zB von einem Mitschüler als „dreckiges Schlammblut“ beschimpft. Ferner zeigt Hermine viel Courage und wehrt sich gegen die ungerechte Behandlung von anderen, seien es Menschen, Riesen oder Hippogreife. Und Hermine setzt sich für die Freiheit der Hauselfen ein, die in der Welt der Zauberer und Hexen als Sklaven behandelt werden. Schließlich kämpft sie als Aktivistin einer Widerstandsbewegung am Ende sogar gegen die rassistische Diktatur von You-Know-Who, in der de facto eine Apartheid zwischen Magiern und Muggeln herrscht. Zieht man nun diese Erfahrungen und die Art und Weise, wie sich Hermine in bestimmten Situationen verhält, in Betracht, dann erscheint es durchaus als stichhaltig, wenn sich manche Leser_innen gerade Hermine als schwarz vorstellen. Es hängt wohl auch damit zusammen, ob die Leser_innen selbst schon einmal von Rassismus betroffen waren.

 

In der Fanart-Szene wird Hermine Granger jedenfalls seit geraumer Zeit in den verschiedensten Farben gemalt. Manche stellen sie sich schwarz vor und für manche sieht sie asiatisch aus. JK Rowling hat sich übrigens auf Twitter dazu bekannt, was sie von dieser seltsamen „Diskussion“ hält und kommentierte fürs Protokoll: „Richtschnur: braune Augen, krause Haare und sehr schlau. Eine weisse Hautfarbe war nie festgelegt. Rowling liebt die schwarze Hermine *küsschen*“.

 

unveröffentlicht, 29.12.2015

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