Wien: Solidaritätsdemonstration für die aufständischen Menschen im Iran

In Wien fand am Dienstag eine Demonstration statt, die Gerechtigkeit für Zhina Mahsa Amini forderte und Solidarität mit den aufständischen Menschen im Iran zeigte.

Ein Gastbeitrag von Alexander Stoff

Zhina Mahsa Amini war Mitte September von „Sittenwächtern“ in Iran verhaftet worden, weil ihr vorgeworfen wurde, das Kopftuch nicht korrekt zu tragen. Am 16. September wurde sie in Polizeigewahrsam getötet. Seither gehen tausende Menschen in vielen Städten des Iran auf die Straße und fordern Frauenrechte und ein Ende der Mullah-Diktatur. Die Proteste werden von jungen Frauen, queeren Menschen, Arbeiter*innen und Kurd*innen getragen. Mutige Frauen widersetzen sich reaktionären Männern und weigern sich, auf der Straße das Kopftuch zu tragen. Es kommt zu öffentlichen Verbrennungen von Hijabs. Mindestens 48 Menschen wurden im Zuge der Proteste getötet, viele verletzt und Tausende verhaftet, hieß es in einer Rede in Wien. Es wurde auch auf den Fall von zwei iranischen Frauen hingewiesen – Zahra Sedighi-Hamadani und Elham Choubdardie aktuell mit der Todesstrafe bedroht werden, weil sie sich für die Rechte der LGBTIQ-Community eingesetzt haben.

Zur Demonstration in Wien hatte die Organisation „Rosa – kämpferisch. sozialistisch. feministisch“ im Bündnis mit anderen Gruppen wie „Avesta – kurdische Frauen in Wien“ und dem „Verein zur Förderung der Freiheitsrechte und Demokratie im Iran“ aufgerufen. Am Treffpunkt auf dem Platz der Menschenrechte versammelten sich die Teilnehmer*innen, laut dem Journalisten Gerhard Kettler ca. 2.000 Personen. Es wurden Redebeiträge gehalten, in denen unter lautem Beifall der Menge ein Ende der Diktatur, Menschen- und besonders Frauenrechte, Selbstbestimmung für Kurd*innen und andere Gruppen und die Befreiung für queere Menschen gefordert wurde. Viel Applaus gab es auch, als in einer Rede darauf hingewiesen wurde, dass die Protestbewegung nun dazu übergehen solle, neben dem Straßenprotest den Widerstand auszuweiten und zu Streiks überzugehen.

Es wurde in einer Rede darauf hingewiesen, dass auf die europäische Politik kein Verlass sei. Als erwähnt wurde, dass der österreichische Außenminister Schallenberg sich mit dem Außenminister des iranischen Mullah-Regimes getroffen hatte, gab es zahlreiche Buh-Rufe. Ein Redner bemerkte auch, dass Iran bisher vor allem mit dem Atomkonflikt in die internationalen Schlagzeilen gekommen sei, sich nun aber ein anderes Gesicht des Iran der Weltöffentlichkeit zeige. Der Widerstand im Iran könnte Auswirkungen auf die gesamte Region haben, zum Beispiel auch auf Afghanistan, wo die Taliban ebenfalls Frauen unterdrücken. Schließlich wurde gesagt, dass die Demonstration sich auch gegen Rassismus, Abschiebungen und Femizide überall auf der Welt richtet.

Nach einer guten Stunde setzte sich der Demonstrationszug nach 18 Uhr in Bewegung. Beim Losgehen wurde ein Lied aus der iranischen Rebellion abgespielt. Die Demonstrierenden trugen Transparente und Schilder. Es waren viele Fahnen von Organisationen sichtbar, etwa von linken und kurdischen Organisationen (Rojava). Der Demozug lief die Museumstraße entlang und bewegte sich dann nach einem Bogen die Stadiongasse hinunter, am Parlament vorbei und über die Ringstraße zum Ballhausplatz. Die ursprünglich geplante Route zur iranischen Botschaft war von der Polizei untersagt worden. Es waren Parolen zu hören wie „Hoch die internationale Solidarität“, „Frauenrechte überall, Frauenrechte in Iran“ und immer wieder der Ruf „Jin, Jîyan, Azadî (Frau – Leben – Freiheit)“. Besonders berührend war der Moment, als ein kleiner Bub immer wieder „Jin, Jîyan, Azadî“ rief.

Zuerst veröffentlicht auf Unsere Zeitung

Humorvolle Revoluzzerin für Feminismus und Müßiggang

Hanna Herbst im Portrait

 

Die diesjährige online Veranstaltung zum Bachmannpreis hat für Hanna Herbst eine Premiere bedeutet. Schreiben ist etwas, das sie schon ihr ganzes Leben über begleitet. So hat sie als Kind und, wie sie selbst sagt, depressiver Teenager „schlimme Gedichte“ verfasst, um Dinge zu verarbeiten. Später hat sie in kleinen Literaturzeitschriften kurze Geschichten über Menschen und ihr Leben veröffentlicht. „Der Ohrenzeuge“ von Elias Canetti fällt ihr dazu als Referenz ein. Bekannt ist sie vielen als Buchautorin („Feministin sagt man nicht“) und als ehemalige Journalistin bei Vice. Nun arbeitet sie in Köln bei der Redaktion der neuen Informationsshow von Jan Böhmermann als Chefin vom Dienst mit. Beim Bachmannpreis hat sie am 19.Juni zum ersten Mal einen ihrer literarischen Texte vorgelesen. Mit „Es wird einmal“ belegte sie beim Publikumsvoting den zweiten Platz nur knapp hinter Lydia Haider, die damit u.a. in die Fußstapfen von Stefanie Sargnagel tritt. Im Gespräch mit Alexander Stoff hat Hanna Herbst etwas über ihr Leben verraten und Gedanken darüber geteilt, wie sie die Welt sieht.

Eine furchtlose Frau reist nach Argentinien

Hanna sagt, dass sie ein mutiges Kind war, das sich vor nichts gefürchtet hat. Mit acht Jahren verändert sich alles, denn da zieht sie mit ihren Eltern und ihrem Bruder aus einer kleinen Stadt in Deutschland nach Salzburg. Die Kinder sollten die Möglichkeit haben, ein Gymnasium zu besuchen, meinen die Eltern – ein Luxus, den es in der deutschen Kleinstadt nicht gibt. Im neuen Zuhause fühlt sich Hanna allerdings einige Zeit sehr unwohl. Denn sie wird von Mitschüler*innen belästigt und auf dem Heimweg verfolgt. Eine Lehrerin korrigiert Hanna, wenn sie schreibt, dass sie sich langweile und kommentiert, dass man in Österreich „fadisieren“ sage. Mit 15 oder 16 Jahren habe sie schließlich herausgefunden, „mit wem ich zu tun haben will und mit wem nicht“. Von da an sei es ihr wieder besser gegangen. Nach der Schule geht Hanna nach Argentinien, um Psychologie zu studieren. Das war um 2008 herum. Aber dann kommt die Schweinegrippe-Epidemie und die Universitäten müssen geschlossen werden. Hanna entscheidet sich, ihr Studium abzubrechen und wieder nach Hause zu ihrer Familie zurückzukehren.

 

Journalistin aus Leidenschaft

 

„Auf meinem MacBook Air schreib ich nur noch Relevantes

über die Conditio Humana und Spaghetti Bolognese ..

Ich sag der Menschheit die Wahrheit ins Gesicht

mit der Diktierfunktion meines Mobiltelefons“

(aus „Herbstmanöver“)

 

Mit dem Ziel, Journalistin zu werden, beginnt sie nun ein Studium in Politikwissenschaft. Gleichzeitig bewirbt sich Hanna bei der Redaktion von Vice für ein Praktikum. Dabei hinterläßt sie offensichtlich einen guten Eindruck, denn ihr wird angeboten, in einem Vollzeitarbeitsverhältnis bei Vice mitzuarbeiten. Doch sie steht zunächst vor einem Problem, denn: „Ich habe zu meiner Mutter gesagt: Mama, wenn ich jetzt 40 Stunden arbeite, dann glaube ich, dass ich mein Studium nicht fertig mache.“ Ihre Mutter macht ihr deutlich, dass es genug erwerbslose Studienabsolvent*innen gäbe, und überzeugt sie, dass berufliche Erfahrung viel wert sei. Außerdem könne sie ja zu einem späteren Zeitpunkt ihr Studium abschließen. So wird Hanna also Redakteurin bei Vice.

Bei ihren Recherchen liegt ihr alles am Herzen, „worüber ich stolpere und denke, es ist spannend“. Das Spektrum der Themen ist daher breit gefächert. So gehört ein Vice-Artikel über Tanja Playner – eine Pop-Art-Künstlerin, die ihren künstlerischen Wert weit übertreibt und außerdem der FPÖ nahe steht – ebenso dazu wie gesellschaftlich relevantere Themen mit einem Fokus auf Menschenrechte. Eine Recherche wie jene über Tanja Playner macht Hanna „viel mehr Spass, weil man sich reinfuchst und denkt, wie verrückt ist diese Welt“. Recherchen über Menschenrechte spielen hingegen besonders für ihre Mitarbeit bei der Zeitschrift Liga eine Rolle. Hier geht es um Themen wie Obdachlosigkeit, Rassismus, Diskriminierung und Ausbeutung von Erntehelfer*innen.

Wäre sie nicht Journalistin, dann würde sie sich für den Beruf der Psychotherapeutin entscheiden, sagt Hanna. Von ihrer aktuellen Tätigkeit bei Böhmermann erwartet sie sich, dass ihr neues Berufsfeld großen Spass machen, aber auch stressig sein wird. Hanna glaubt, dass Raum sein wird, um viele Menschen zu erreichen und Wissen weiterzugeben. Sie spüre einen richtigen Revoluzzerinnenfunken in sich sprießen.

 

Homo politicus

 

Eine Eigenschaft zeichnet Hanna aus, die schon von klein auf sichtbar wird: ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden. Sie spricht immer laut aus, wenn sie etwas als ungerecht empfindet – gegenüber ihren Eltern genauso wie gegenüber Lehrer*innen oder im Beruf. Ihr Gerechtigkeitsempfinden zieht sich durch ihr ganzes Leben, meint Hanna: „Ich bin generell so ein Mensch, wenn ich etwas schlimm finde, dann sage ich etwas.“ So sind es auch die Ungerechtigkeiten auf dieser Welt, die sie kaum ertragen kann und die sie dazu bewegen, zum Stift bzw. Tastatur zu greifen. Ob sie ein politischer Mensch ist? Darauf antwortet Hanna, dass wahrscheinlich jeder Mensch politisch sei, das habe schon Plato mit dem homo politicus festgestellt. Politisch ist sie selbst also „natürlich auch volle Kanne“. Denn wenn du in dieser Welt aufwächst und aufmerksam mitverfolgst, was passiert, dann sei es gar nicht möglich, nicht zu politisch sein, sagt sie. Es habe jedoch kein bestimmtes Ereignis oder eine bestimmte Person gegeben, die sie politisiert habe. Hanna sympathisiert mit verschiedenen Bewegungen wie zB dem Klimavolksbegehren und der Demokratiebewegung in Hongkong.

„Ich weiss nicht, wie man eine gerechte Welt gestalten kann oder eine Welt, wo ich sagen würde, ich bin wunschlos glücklich, weil es dann eine Welt ist, wo man sich umsieht und einem auffällt, dass die Menschen glücklich sind,“ sagt Hanna, angesprochen auf ihre Utopie. Es gebe so viele Baustellen auf unserer Welt, dass sie gar nicht wisse, wo man mit der Veränderung anfangen soll. So ist die Schere zwischen Arm und Reich in der Corona-Krise noch größer geworden als sie ohnehin schon war. Wenige Milliardäre haben in dieser Zeit ihren unfassbaren Reichtum noch um ein Vielfaches gesteigert, während viele Menschen ihren Job verloren und in die Armut abgerutscht sind. Und Arbeiten wird zur Religion, stellt Hanna fest. Während man früher dachte, dass wir alle bald weniger arbeiten müssen, wurde in Österreich unter Schwarz/Türkis-Blau II der 12-Stunden-Tag eingeführt. Parteien wie FPÖ, ÖVP und FDP werten auf menschenverachtende Weise Menschen ab, weil sie keiner Erwerbsarbeit nachgehen. Alles das läuft in eine ganz falsche Richtung, so Hanna: „Und du denkst dir: hä? Das ist doch gar nicht, wofür wir Mensch sind! Es ist doch viel schöner, ein Tier zu streicheln oder Blumen zu pflanzen.“ Deshalb wäre eine Arbeitszeitverkürzung auf vier Stunden, wie von der Soziologin und Philosophin Frigga Haug vorgeschlagen, eine Utopie, mit der Hanna sich anfreunden könnte. Denn dann bliebe für uns alle mehr Zeit für Müßiggang. Und sie wünscht sich auch, dass wir Menschen wieder mehr Bezug für die Dinge bekommen, für die wir leben und die uns gut tun. Etwa die Natur und der Umgang mit Tieren oder auch lecker Essen, weil es gut schmeckt und nicht nur, um satt zu werden.

 

Feministin sagt man doch

 

Erfahrungen als politische Aktivistin hat sie bisher einmal gesammelt, nämlich im Rahmen des Frauenvolksbegehrens. Gefragt, was sie dazu inspiriert hat, antwortet sie: „Wir saßen damals zusammen, ein US-Präsident Trump in Aussicht, Schwarz-Blau in Aussicht, und da haben wir gesagt, das werden schlimme Jahre für Frauen. Wir müssen was tun.“ Besonders schlimm findet sie es, wenn Frauen eine Führungsposition erreichen und sich dann unsolidarisch verhalten und eine menschenverachtende Politik betreiben. Als Beispiele fallen Hanna etwa die ÖVP-Ministerinnen ein. Deshalb findet sie es nicht genug, wenn Feministinnen sich Verbündete suchen, auch wenn das sehr wichtig ist, aber eine Veränderung zu einer geschlechtergerechten Gesellschaft erfordere auch, dass Feministinnen in Entscheidungspositionen gelangen, um politisch zu gestalten.

Ob sie mit ihrer Arbeit etwas verändert, darüber hat sie sich noch nicht viele Gedanken gemacht, sagt Hanna. Im Kleinen macht sie jedenfalls öfter die Erfahrung, dass Menschen sich bei ihr melden und ihr mitteilen, einen anderen, positiveren Blickwinkel auf den Feminismus gewonnen zu haben, nachdem sie ihr Buch gelesen haben. Junge Frauen und Männer schreiben ihr selbst heute noch – zwei Jahre nach dem Erscheinen von „Feministin sagt man nicht“ – Emails, in denen sie feststellen, dass sie jetzt besser verstehen, was Feminismus bedeutet und dass Hannas Buch so wichtig für sie war. Diese Veränderungen im Kleinen findet Hanna sehr schön und befriedigend.

Unter Emanzipation versteht sie, dass wir uns von Zwängen freikämpfen, die uns klein machen und beengen. Damit muss gar nicht mal das Verhältnis zwischen Männern und Frauen gemeint sein, sagt Hanna. Es geht um Situationen, wie zB in einer Beziehung, bei der du in eine Rolle gedrängt wirst, wo du nicht sein möchtest. Oder gesellschaftliche Verhältnisse, wo Menschen unterdrückt werden. Es ist unübersehbar, dass Frauen in westlich-europäischen Gesellschaften diskriminiert werden, dennoch hält Hanna die Lage im Verhältnis zu anderen Regionen der Welt für eine privilegierte Position. „Ich kam nie in die Situation, mich emanzipieren zu müssen,“ sagt sie daher. Wovon sie sich sehr wohl emanzipieren musste, ist davon, dass sie sich manchmal selbst im Weg gestanden und klein gehalten hat. Nachdem sie ein mutiges Kind gewesen ist, gab es eine Zeit, in der sie schüchtern war und daraus musste sie sich erst wieder befreien und zu ihrer alten Furchtlosigkeit zurückfinden. Und – auch wenn dies nie ganz gelinge – so musste sich Hanna auch von gesellschaftlichen Normen emanzipieren, die Frauen vorschreiben, wie sie sich zu verhalten hätten.

 

Plaudern mit Diogenes und ein Balkon voller Pflanzen

 

„Ich hänge nur noch ab mit krassen Ikonen

hab jetzt neue Freunde, bitte ruft nicht mehr bei mir an

Aichinger Ilse und die Beauvoir Simone

wir entspannen zusammen im alten Haus von Thomas Mann“

(aus „Herbstmanöver“)

 

Beim Bachmannpreis mitzumachen, habe ihr viel Freude bereitet, allerdings mache sie das noch nicht zu einer Schriftstellerin. Den Text hat sie übrigens während einer Reise nach Indonesien im vergangenen Jahr geschrieben. Und auch singen ist eine Beschäftigung, die ihr Spass macht, was sie der Öffentlichkeit schon gezeigt hat, denn anlässlich des Literaturwettbewerbes hat Hanna zusammen mit Leon Engler ein kleines Video mit dem Lied „Herbstmanöver“ gedreht. In ihren literarischen Texten vermischt sich Fiktives mit tatsächlichen Erfahrungen. So sagt Hanna: „Bei allen Leuten, die schreiben, hast du einmal ein Gefühl, eine tiefe Trauer, und du schreibst darüber. Das Gefühl, das dem zugrunde liegt, ist echt. Aber die Geschichte darum herum ist frei erfunden. Oder jemand erzählt einem eine Geschichte und man spinnt sie weiter. Oder man hat etwas genau so erlebt und schreibt darüber.“ Literarische Einflüsse von anderen Autor*innen bemerkt Hanna in ihren Werken zwar nicht, aber ein Buch, das sie gelesen hat und das sie immer noch sehr beschäftigt, ist „Roman eines Schicksallosen“ des Holocaust-Überlebenden Imre Kertész. Für sich entdeckt hat sie die Romane von Janosch, die der Kinderbuchautor für Erwachsene geschrieben hat, denn sie findet Bücher wie „Vom Glück, Hrdlak gekannt zu haben“ sprachlich famos, lustig und etwas für das Herz.

Wenn sie die Gelegenheit hätte, jeden Menschen auf der Welt zu treffen – auch historische Persönlichkeiten – dann würde Hanna sich am liebsten mit den Philosophen Diogenes und Epikur unterhalten. Sie würde Diogenes unendlich viele Fragen stellen, wie zB warum er in einer Tonne lebte, und sich von ihm ausfragen lassen. Den hedonistischen Epikur würde sie gerne fragen, wie man leben soll. Ihr fallen noch unzählige Menschen ein, die sie gerne kennen lernen und das Gespräch suchen würde: Goethe, Simone de Beauvoir, Sokrates, Ingeborg Bachmann, Paul Celan.

Hanna ist ein Mensch, der viel und gerne lacht – das merkt man auch während des Gesprächs. Sie glaubt, dass sie wohl ein sehr dankbares Publikum für jede*n Comedian wäre. Danach gefragt, was sie denn zum Lachen bringt, meint Hanna, sie amüsiere sich oft über die lustigen Sachen, die ihr Hund Lila macht. Wegen ihrem Freund wird sie im Alter vermutlich Lachfalten bekommen, fürchtet sie, denn er schafft es immer, sie zum Lachen zu bringen. Hanna mag schwarzen Humor besonders gerne und es darf auch ein Humor sein, der ein wenig böse und bissig ist.

„Ich hätte gerne einen Garten,“ sagt Hanna. „Vor die Tür gehen und Natur. Das fehlt mir schon. Mein Balkon ist voll, weil ich alles anpflanze – Kartoffeln, Salat und Kräuter. Man kann am Balkon vor lauter Pflanzen fast gar nicht mehr sitzen.“ Sie denkt, am Land zu leben wäre genau das Richtige für sie, dann würde der Stress in Hannas Leben wegfallen. Wenn sie Zeit für Müßiggang hat, dann geht sie am liebsten zelten und wandern. Ihr Hund Lila muss unbedingt dabei sein, damit es noch mehr Spass macht. Hanna freut sich, wenn sie Zeit mit Dingen verbringen kann, die ihr Leben bereichern wie Meditation und Philosophie. Danach sehnt sie sich und darüber möchte sie sich am liebsten Gedanken machen – „und nicht über die FDP“. Aber sie will sich dem auch wieder nicht entziehen. „Dazu bin ich noch nicht ganz bereit. Da habe ich das Gefühl, ich muss noch ein bisschen mitmischen.“ Eines Tages vielleicht wird es soweit sein, dass sie aufs Land zieht. Aber noch nicht jetzt. In einem schönen Text, den Hanna bei ihrer Buchpräsentation öfter vorgelesen hat, schreibt sie, dass sie gerne Schafe hüten möchte. So lautet der letzte Satz in dem Text: „Und irgendwann, da klappt das dann auch mit der Schafherde.“

 

Hanna Herbst auf Twitter, Facebook und Instagram: @HHumorlos

 

veröffentlicht auf Unsere Zeitung und Der Freitag

Gewerkschafter*innen weltweit unter Beschuss

Zu alarmierenden Ergebnissen hinsichtlich der weltweiten Lage von Arbeiter*innen und Gewerkschaften kommt der Globale Rechtsindex des Internationalen Gewerkschaftsbundes. Die Missachtung von Arbeiter*innenrechten durch Unternehmen und Regierungen, sowohl in autoritär als auch demokratisch verfassten Staaten, ist weiter gestiegen.

Rechtsverletzungen in Zahlen

In 85% der Länder wurde das Streikrecht missachtet, in 80% gab es Verletzungen des Rechts auf Tarifverhandlungen und in 59% wurde das Recht auf Zulassung von Gewerkschaften unterbunden. Seit dem letzten Jahr gab es eine Zunahme von 92 auf 107 Länder, wo das Recht verletzt wurde, eine Gewerkschaft zu gründen oder beizutreten. Einschränkungen der Vereinigungsfreiheit sind zwar in allen Regionen mehr geworden – der massivste Anstieg, nämlich von 50% gegenüber dem Vorjahr, ist in Europa zu beobachten. Allein im laufenden Jahr 2019 wurden bislang in 123 von den untersuchten 145 Ländern Streiks erheblich eingeschränkt oder verboten.

In 52 Ländern waren Arbeiter*innen der Gewalt ausgesetzt und in 10 Staaten wurden Gewerkschafter*innen umgebracht. Allein im Jahr 2018 wurden 53 Gewerkschafter*innen in acht Ländern gezielt ermordet. Während etwa Italien zwar zu jenen Ländern zB neben Island, Uruguay und Slowakei gehört, in denen nur sporadisch die Rechte von Arbeiter*innen missachtet wurden, kam es hier andererseits auch zur Ermordung von Gewerkschafter*innen. In 54 Ländern wurde im vergangenen Jahr die Rede- und Versammlungsfreiheit eingeschränkt. In 72% der Länder haben Arbeiter*innen keinen oder nur begrenzten Zugang zur Justiz. Die Anzahl der Länder, in denen Arbeiter*innen und Gewerkschafter*innen inhaftiert waren, ist gegenüber 2018 von 59 auf 64 gestiegen. Festgenommen wurden Arbeiter*innen in drei Viertel der Länder in der Region Asien/Pazifik und in einem Viertel der europäischen Länder.

Als schlimmste Weltgegend für Arbeiter*innen wird die Region Naher Osten und Nordafrika eingestuft und unter den 10 weltweit schlimmsten Ländern finden sich Brasilien, Philippinen und die Türkei.

Regionale Tendenzen

In der Region des Nahen Ostens und Nordafrikas waren besonders Wanderarbeiter*innen miserablen Bedingungen ausgesetzt. In Saudi Arabien wurde eine Wanderarbeiterin im Geheimen hingerichtet, nachdem sie in Notwehr ihren Vergewaltiger umgebracht haben soll. Eine unabhängige Organisierung von Gewerkschaften in Algerien und Ägypten wurde durch verschärfte Auflagen unterbunden, die meisten aufgelöst. Außerdem gingen die Regierungen repressiv gegen protestierende Arbeiter*innen vor, in Iran etwa gab es Massenverhaftungen.

In der Asien/Pazifik-Region hat die physische Gewalt zugenommen. Auf den Philippinen wurden im letzten Jahr insgesamt 10 Gewerkschafter*innen ermordet, neun Personen – darunter zwei Minderjährige – im Rahmen eines Protestes für Landreform. Bei Protesten gegen Sonderwirtschaftszonen in Vietnam setzte die Polizei Gewalt gegen Tausende von Demonstrant*innen ein, Hunderte wurden inhaftiert und in Haft geschlagen. In Bangladesch, Indonesien und China kam es zu systematischen Entlassungen von Arbeiter*innen, die versuchten, eine Gewerkschaft zu gründen. In der Region haben fast alle Länder das Streikrecht verletzt und das Recht auf Tarifverhandlungen wurde überall missachtet.

In fast der Hälfte aller afrikanischen Staaten wurden Arbeiter*innen inhaftiert. Polizeigewalt gab es etwa bei Demonstrationen in Kamerun und Ghana. Anfang 2019 wurden in Simbabwe bei einer Demonstration 12 Arbeiter*innen von den Staatskräften getötet. Das Streikrecht wurde in 38 von 39 Ländern von Afrika verletzt.

Gegenüber vergangenem Jahr hat sich das Rating von Gesamtamerika verschlechtert. In vielen Ländern wurde Gewalt gegen Gewerkschafter*innen angewendet. Den traurigen Rekord im Jahr 2018 hält zum wiederholten Male Kolumbien, wo 34 Gewerkschafter*innen ermordet wurden, viele von ihnen Landarbeiter*innen und Lehrer*innen. Auch in Brasilien und Guatemala gab es Morde an Gewerkschafter*innen. Straflosigkeit für diese Verbrechen war ein weitverbreitetes Problem. In Ländern wie Ecuador wurden zahlreiche Arbeiter*innen entlassen, weil sie eine Gewerkschaft gründen wollten. In Panama und Argentinien wurde die Zulassung von Gewerkschaften verweigert.

Auch das Rating von Europa hat sich verschlechtert. Es kam vermehrt zu Gewalt gegen Gewerkschafter*innen und Arbeiter*innen wurden wegen ihrer Teilnahme an Streiks juristisch verfolgt. In Italien und der Türkei gab es Morde an Gewerkschafter*innen. Zahlreiche Streiks wurden etwa in Frankreich und Belgien von der Polizei unterdrückt. Vergangenen Oktober wurden bei einem Protest von Arbeiter*innen des Istanbuler Flughafens 400 von ihnen verhaftet, 43 von ihnen droht ein Gerichtsverfahren. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Chemiearbeiter*innen in der Türkei wurde bei einem Betriebsbesuch im November 2018 erschossen.

Im Bericht des IGB, der Mitte Juni veröffentlicht wurde, werden 145 Länder im Zeitraum von April 2018 bis März 2019 bewertet und konkrete Vorfälle von Rechtsverletzungen dokumentiert, die in Fragebögen erhoben wurden. Grundlage sind die Normen der ILO.

Zwischen Diktatur und Demokratie

Dass die Gewerkschafts- und Menschenrechte immer mehr unter Druck geraten, beobachtet Marcus Strohmeier vom internationalen Referat des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) seit vielen Jahren. Dies hängt mit Diktaturen und ihrer repressiven Vorgehensweise gegen Arbeiter*innen zusammen wie in der Türkei und Ungarn. Andere Länder wie Simbabwe haben die Hoffnungen auf Demokratisierung nicht erfüllt und die Gefängnisse bleiben gefüllt.

Neben den Diktaturen gab es aber auch eine Reihe von demokratischen Staaten, in denen die Arbeiter*innenrechte in Frage gestellt und missachtet wurden. Obwohl die inzwischen abgewählte Syriza-Regierung in Griechenland angetreten war, die Interessen der Arbeiter*innen zu vertreten, hat sie nicht wieder das Recht auf Kollektivverhandlungen eingeführt, das die Troika aufgehoben hatte, kritisiert Strohmeier. In Tschechien wurde das Streikrecht eingeschränkt und auch in Polen ist es nun nicht mehr möglich, einen landesweiten Streik zu organisieren. In den USA haben einzelne Bundesstaaten Kollektivverhandlungen sogar verboten. Maßnahmen wie die Einführung des 12-Stundenarbeitstages und die versuchte Abschaffung der Jugendvertrauensräte in Österreich durch ÖVP und FPÖ gehen in eine ähnliche Richtung.

Gewerkschaftsrechte sind Menschenrechte

Der Abbau von Demokratie hat auch zur Folge, dass sich die Gewerkschaften neben ihren klassischen Aufgaben im Bereich der Arbeits- und Sozialrechte zunehmend dafür engagieren müssen, dass demokratische Verhältnisse abgesichert werden, und zwar nicht nur außerhalb Europas sondern auch in Ländern wie Polen, Ungarn, Italien und Ukraine. Denn: „Ohne Demokratie keine Gewerkschaften, zumindest keine freien Gewerkschaften. Und das ist unsere Lebensgrundlage, wie die Luft zum Atmen brauchen wir die Demokratie für unsere Arbeit„, so Marcus Strohmeier. Besonders seit den 2000er Jahren werden gerade in den demokratisch verfassten Gesellschaften die Rechte der Arbeiter*innen demontiert, auch weil die Unternehmen mit bestimmten Regierungsparteien sich rücksichtslos über die Arbeiter*innen und Gewerkschaften hinwegsetzen. Nicht nur in Österreich hören Sozialpartnerschaften auf zu funktionieren, weil die Unternehmensseite nicht mehr bereit ist, mit den Gewerkschaften zu verhandeln.

Marcus Strohmeier weist darauf hin, dass die Arbeit für Gewerkschafter*innen im internationalen Bereich viel komplexer geworden ist. Arbeitsrechtliche Standards der ILO werden mit Füßen getreten. Wenn zB in Kasachstan Arbeiter*innen inhaftiert werden, setzen sich die gut vernetzten Gewerkschaften mit Protestbriefen und Demonstrationen vor den Botschaften dafür ein, dass die Kolleg*innen wieder aus dem Gefängnis frei kommen. Aber zwei Wochen später werden wieder andere Gewerkschafter*innen eingesperrt. Hilferufe erhalten die ÖGB-Gewerkschafter*innen mittlerweile fast täglich aus aller Welt und der Arbeitsaufwand ist kaum noch zu bewältigen, sagt Strohmeier.

Besonderen Respekt bringt Marcus Strohmeier seinen Kolleg*innen in Kolumbien entgegen, deren Mut er bewundert, unter lebensbedrohlichen Umständen gewerkschaftlich tätig zu sein. Deshalb hat sich der ÖGB beim Abschluss des Freihandelsabkommens der EU mit Kolumbien quer gestellt. Letztlich vergeblich, denn während die Vorgängerregierung in Österreich sich noch aus menschenrechtlichen Bedenken weigerte, zuzustimmen, hat die Regierung von ÖVP und FPÖ nicht einmal mit der Wimper gezuckt und das Abkommen sofort unterzeichnet.

Im Rahmen der ILO wurde erst vor kurzem eine neue Kernnorm angenommen, die besagt, dass gegen sexualisierte Belästigung am Arbeitsplatz vorzugehen ist und bei Diskriminierung von Frauen* auch Strafen vorgesehen sind. Marcus Strohmeier wünscht sich außerdem ein stärkeres Engagement und eine Regelung der ILO, mit der die Rechte von LGBTIQ-Personen gestärkt werden, aber dies wurde von mehreren afrikanischen Regierungen blockiert.

„Wir lassen Menschenrechte und Gewerkschaftsrechte nicht auseinander dividieren. Das gehört für uns zusammen. Gewerkschaftsrechte sind Menschenrechte,“ hebt Marcus Strohmeier hervor.

Internationale Solidarität

Damit sich an den Verhältnissen etwas zum Besseren für die Arbeiter*innen verändert, hält Marcus Strohmeier ein Bündel von Maßnahmen für erforderlich. Zunächst ist es wichtig, dass die Konsument*innen informiert werden, was in den Produkten steckt und welche Arbeitsbedingungen und Entlohnung dahinter stehen. Auch die Vernetzung und gegenseitige Hilfe der Gewerkschaften sollte noch weiter gesteigert werden, so Strohmeier: „Wenn in Simbabwe die Gewerkschaftsführer*innen ins Gefängnis kommen, würde ich mir erwarten und wünschen, dass aus Uganda und anderen Ländern die Kolleginnen und Kollegen sofort agieren und vielleicht sogar die Grenzen blockieren.“ Schließlich braucht es auch mehr politischen Druck auf die nationalen Regierungen, damit diese sich im Rahmen der EU mehr auf internationaler Ebene für die Rechte der Arbeiter*innen einsetzen. Dieser notwendige politische Druck wird allerdings in Österreich durch die stark konzentrierte Medienlandschaft erschwert, was dazu führt, dass bürgerliche Medien einfach nicht über Themen berichten, welche die Arbeiter*innenrechte betreffen. Nicht zuletzt findet Strohmeier mehr politisches Engagement der Gewerkschaften nötig, um innerhalb der bestehenden Parteien mehr Druck aufzubauen. Skeptiker*innen wie etwa den ungarischen Gewerkschafter*innen hält Strohmeier entgegen: „Die Politik macht die Probleme für die Gewerkschaften, sie beschließt Gesetze, die dann ihre Arbeit einschränken. Das heißt, dass die Gewerkschaften sich ihrer Aufgabe bewusster werden sollten, politisch zu agieren und der verstärkte politische Arm der Zivilgesellschaft zu werden.“

veröffentlicht am 1.8.2019 auf Unsere Zeitung